PRESSEERKLÄRUNG
Michael Verhoeven: „Der Schaden einer Schließung ist unermesslich.“
Ohio / Schlüchtern / 10. September 2010: Nach Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff meldet sich jetzt mit Michael Verhoeven bereits der zweite herausragende deutsche Filmregisseur mit einem dringenden Appell an die politisch Verantwortlichen der Stadt Schlüchtern, das Kulturkino KUKI in der ehemaligen Synagoge mit allen Mitteln zu erhalten und zu stützen:
„Sehr geehrter Herr Bürgermeister Fritzsch und verehrte Damen und Herren Stadtverordnete,
nutzen Sie die Chance, Ihrer Stadt eine einmalige und unwiderruflich populäre Kulturstätte zu erhalten und weiterzuentwickeln. Schlüchtern muss weiterhin aus der großen grauen Zone unbedeutender Einrichtungen des städtischen Kulturlebens herausragen.
Machen Sie sich für Ihre Stadt verdient. Eine nicht ganz nebensächliche Frage: gibt es im Stadtrat von Schlüchtern keine Sozialdemokraten? Gibt es in der Region keine SPD, die die Bedeutung des Kuki erkannt hat.
Die Entscheidung drängt. Der Schaden einer Schließung ist unermesslich. Tun Sie bitte alles, um die Stadt Schlüchtern vor dem Verlust einer für Deutschland vorbildlichen Kino-Kultur-Stätte zu bewahren.
Mit besten Grüßen, auch im Namen meiner Frau Senta Berger
Herzlich
Michael Verhoeven“ ….
Michael Verhoeven verfilmte mit „Die weiße Rose“ die Geschichte der Geschwister Scholl. 1990 wurde Verhoeven für den Auslands-Oscar nominiert. 2008 drehte er den Dokumentarfilm „Menschliches Versagen“, in dem es um den Umgang der Deutschen mit jüdischem Eigentum geht. Für seine Regiearbeit wurde er unlängst beim Jüdischen Filmfest in Berlin mit dem neu gestifteten Preis für den besten deutschen Dokumentarfilm geehrt.
Im Augenblick ist Michael Verhoeven an der Arbeit einer Dokumentation in Ohio/USA und bereitet seinen nächsten Spielfilm an Drehorten in Polen vor. Deshalb kann er, wie er bedauert, leider der Einladung des Vereins nicht nachkommen, vor Ort in Schlüchtern persönlich für die Lösung der Situation zwischen dem Eigentümer der Synagoge, dem Bürgermeister und dem KUKI-Verein zu moderieren. Verhoeven wäre der Einladung gerne nachgekommen, ist aber terminlich nicht abkömmlich: „Eine Reise nach Schlüchtern fällt mir in nächster Zeit sehr schwer, weil ich mitten in einem Dokumentarfilm stecke, der in Ohio/USA gedreht wird.“
Verhoeven äußert sich zutiefst erschrocken darüber, wie im Fall des KUKI mit Fördermitteln des Bundes umgegangen wird:
„Wo alle Welt sich für die auf Förderung besonders angewiesenen Einzelkinos in den von Multiplexen geprägten deutschen Landen einsetzt und tatsächlich die FFA für das Kuki Fördermittel bereitstellt, ist es nicht nachvollziehbar und kulturell nicht zu verantworten, dass das Kuki in der ehemaligen Synagoge zusperren soll.
Es wirft mit Verlaub ein sehr trübes Licht auf die Verantwortlichen der Stadt Schlüchterm, dass Sie nicht alles tun, um diese besondere und herausragende Kino-Kultur-Stätte zu bewahren und zu fördern. Das Kuki hat eine Bedeutung über die Stadt Schlüchtern hinaus für die gesamte Region. Es ist ein klassischer Beweis dafür, dass eine Stadt gegen die Nivellierung von Kinoorten und gegen eine Verflachung des allgemeinen Kinoprogrammes ein Beispiel setzen kann. Gäbe es das Kuki Schlüchtern nicht, müsste man es umgehend gründen und mit der neuesten Technik ausstatten.“
Filmleidenschaft wächst in kleinen Kinos. Denn anders als der Fernsehabend auf dem Sofa ist Kino immer auch Gemeinschaftsgefühl, Anlaufstelle, gelebte Erinnerung. Verhoeven und Berger retteten in Berlin-Weißensee das traditionelle Filmkunsthaus „Toni“, das 1919 seine Anfänge als Stummfilmtheater nahm.
„Ich kenne ja die Nöte eines etwas abseits liegenden Einzelkinos aus eigenem Erleben. Ein zweiter Saal ist dringend erforderlich, um Filme bei Nachlassen des Publikumsandrangs umzusetzen und um ein vielfältiges Programm zu garantieren, noch dazu, wenn öffentliche Mittel durch die FFA vorgesehen sind. Ich wage die These, dass eine Schließung des Kinos als katastrophale Entscheidung in die Annalen der Stadt Schlüchtern eingeht und in der Zukunft auch von denen erkannt wird, die jetzt zögern oder sogar das Ende betreiben. Eine solche Entscheidung wird auf die Verantwortlichen der Stadt zurückfallen“, so Verhoeven in seinem Plädoyer für den Erhalt des KUKI-KINOS.
Ohio/Schlüchtern, 10. September 2010